Historischer Teil - VON WÄCHTERSBACH IN DIE WELT

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Karl Heinrich Lübke, zweiter Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, zu Besuch auf dem Schloss Wächtersbach.

Ein Hauch von großer weiter Welt zog mit dem DED in die nach Ende des Krieges zunächst mit Integration und Zuzug von Flüchtlingen beschäftigte Wächtersbacher Gesellschaft ein. Anlässlich der offiziellen Eröffnung besuchte der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke Wächtersbach. Mit Papierfähnchen schwenkend standen Schulkinder vor dem Bahnhofsgebäude, um dem hohen Besuch einen würdigen Empfang zu bereiten. Die Kinder waren mit Feuereifer bei der Sache; im Anschluss hatten sie schulfrei.
Das Foto zeigt 15 Ehemalige, die sich 2019 mit Bürgermeister Andreas Weiher und Stadtführer Otto Fiegler vor dem im Bau befindlichen Schloss versammelt haben. Foto. DEDDie Nutzung des Schlosses durch den DED hinterließ in vielerlei Hinsicht ihre Spuren. Nicht nur am Gebäude und in den Innenräumen waren Gebrauchsspuren geblieben, gleichzeitig gab es für das Schloss und die Stadt auch eine nachhaltige Außenwirkung dadurch, dass für so lange Zeit eine Einrichtung von internationaler Bedeutung beherbergt war. In dem genannten Zeitraum bis 1978 wurden rund 4.000 Entwicklungshelfer aus allen Teilen Deutschlands für ihre Tätigkeit in aller Welt ausgebildet. Einen umfassenden Einblick in das Wirken des DED in Wächtersbach gibt die im Rahmen der Sammlungen der Geschichte von Wächtersbach veröffentlichte Schrift „Vom Wächtersbacher Schloss in alle Welt“ von Renate Holzapfel. Der Umzug des DED 1978 nach West-Berlin war keine rationale, sondern eine rein politische Entscheidung der Bundesregierung, um die Integration des Westens der geteilten Stadt durch die Stationierung bundeseigener Einrichtungen weiter zu manifestieren. Seit Gründung der Gesellschaft im Jahre 1963 wurden insgesamt weit mehr als 15.000 Entwicklungshelfer ausgebildet. Seit dem 1. Januar 2011 ist die DED in der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit aufgegangen. Noch heute kommen Ehemalige, die in Wächtersbach ausgebildet wurden, zu einem Wiedersehen nach Wächtersbach. Das Foto zeigt 15 Ehemalige, die sich 2019 mit Bürgermeister Andreas Weiher und Stadtführer Otto Fiegler vor dem im Bau befindlichen Schloss versammelt haben.
Nach 1978 findet sich lange weder ein neuer Mieter noch ein Investor; dann wird das Schloss im Januar 1994 doch an eine Familie Hodzic verkauft, die den Gebäudekomplex nach der Sanierung angeblich unter anderem für ein privates Seniorenheim nutzen wollte, wobei die Öffentlichkeit keinen Zugang mehr zum Schlosspark haben sollte. Daraus wurde aber nichts, und auch die zunächst geäußerte Bereitschaft zum Verkauf wurde wieder zurückgenommen. Der danach geäußerte Plan des Besitzers, in dem Schloss nach der Sanierung eine Galerie einzurichten, stellte sich ebenfalls als Fantasiegebilde heraus. Erst als der damalige, inzwischen verstorbene Bürgermeister Rainer Krätschmer nach zwölf Jahren Stillstand in der Sache und zusehends weiterem Verfall des Gebäudes der Familie ankündigte, die Denkmalschutzbehörden einzuschalten, wenn nicht endlich saniert oder verkauft würde, kam es nach längeren Verkaufsverhandlungen dann 2012 doch zum Verkauf an die Familie Bruch.
Krätschmer hatte dem Investor vorgeworfen, das Schloss als reines Spekulationsobjekt erworben zu haben, ohne jede Absicht, das Haus jemals zu sanieren. Dabei ließ allein ein Blick durch das schmiedeeiserne Tor in den Innenhof trotz Schmutz und Staub etwas von der Faszination dieses historischen Gebäudes ahnen. Nach der Sanierung war es dann im März 2020 nach 42 Jahren Leerstand mit dem Umzug der Stadtverwaltung in einen Teil des Hauses endlich so weit, dass in das Schloss wieder Leben einkehrte. Gleichzeitig mit dem Umzug des Rathauses in einen Teil des Schlosses kam auch wieder mehr Belebung in die Altstadt.
Eine „Brücke der Freundschaft und des Friedens“ nannte der damalige Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit Walter Scheel am 10.12.1965 die Einrichtung zum Einzug des DED in das Wächtersbacher Schloss. An die Worte Walter Scheels hat die am 07.05.2022 von Bürgermeister Andreas Weiher anlässlich des gemeinsamen Singens der Bürger für den Frieden gehaltene Ansprache erneut erinnert. Wächtersbacher Chöre und viele Bürger sangen für Frieden in der Ukraine und in der ganzen Welt.

Wächtersbacher Chöre und viele Bürger sangen am 07.05.2022 für Frieden in der Ukraine und in der ganzen Welt.
Den vom DED geschulten damaligen Schlossbewohnern selber wurde immer wieder eine linke Orientierung nachgesagt, schrieb Renate Holzapfel. Als guter Spiegel des Zeitgeschehens und des Zeitgeistes präsentierten sich die Schüler mit einer gewissen Aufmüpfigkeit und Ansätzen gesellschaftspolitischer Innovationen, urteilte die Autorin. Schließlich stand die 1968er-Generation schon in den Startlöchern.

Dieter Löchl